Das Übergangsrecht gibt Patentinhabern für einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren, maximal vierzehn Jahren, die Möglichkeit, durch die Erklärung von Opt-Outs europäische Patente aus dem System, aus der Zuständigkeit des Europäischen Patentgerichts, herauszunehmen. Die in diesem Fall zuständigen nationalen Gerichte werden jedoch in der Übergangszeit voraussichtlich das EPGÜ anwenden.
Ist das Europäische Patentgericht bereits mit einer Klage befasst, kann kein Opt-Out mehr erklärt werden. Ist ein Opt-Out erklärt worden und wird dann eine nationale Klage eingereicht, so kann der Weg zum Europäischen Patentgericht nicht mehr gegangen werden.
Die Sunrise-Periode
Das Europäische Patentamt ermöglicht es, bereits ab dem 01. Jänner 2023 Anträge auf Patenterteilung mit einheitlicher Wirkung für die am System teilnehmenden Vertragsstaaten und Anträge auf Verzögerung von Patenterteilungen zu stellen
Mit dem 1. März 2023 startet die sogenannte „Sunrise“-Periode, während der beim Europäischen Patentgericht (dessen Gerichtskanzlei) online über das elektronische Gerichtssystem Opt-Out Anträge für anhängige europäische Patentanmeldungen sowie für erteilte europäische Patente gestellt werden, um die Wirkungen des neuen Systems auf diese Schutzrechte schon zum Start des Europäischen Patentgerichts auszuschließen.
Europäische Patente fallen ausnahmslos unter das EPGÜ, was für alle bestehenden europäischen Patente gilt. Wer während der Übergangszeit die Zuständigkeit des Europäischen Patentgerichts für seine europäischen Patente ausschließen möchte, sollte zeitgerecht bei der Gerichtskanzlei ein Opt-Out, separat für jedes europäische Patent, erklären.
Wer sich schon jetzt aus strategischen Überlegungen für ein Opt-Out für einzelne, mehrere oder alle bestehenden europäischen Patente entschließt, sollte diese Erklärung bereits während der Sunrise-Periode abgeben. Opt-Out Anträge sind eine defensive Strategie, indem sie europäische Patente davor schützen, durch eine einzige Klage beim Europäischen Patentgericht widerrufen zu werden, anstatt dass Klagen auf Länderbasis geführt werden müssen.
Was spricht für ein Opt-Out:
Das Risiko einer zentralen Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Patentgericht sowie das Risiko, das sich aus dem Fehlen jeglicher Rechtsprechung und der mangelnden praktischen Erfahrung mit diesem völlig neuen Gericht ergibt, werden vermieden.
Welche Vorteile hat andererseits eine Klage vor dem Europäischen Patengericht:
- Nach dem festgelegten Zeitplan für erst- und zweitinstanzliche Verfahren sollen Klagen nach zwei, maximal zweieinhalb Jahren rechtskräftig abgeschlossen sein. Es gibt keine Revisionsinstanz und eine Zurückweisung des Berufungsgerichts an das Gericht 1. Instanz ist nur in Ausnahmefällen vorgesehen.
- Die Klage betrifft in vielen Fällen alle validierten Teile des europäischen Patentes.
- Im Vergleich zum deutschen System sind etwas geringere Kosten zu erwarten.
- Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren können in ein- und demselben Klageverfahren verhandelt werden.
- Das Gerichtssystem ist ausschließlich auf Patentstreitfälle zugeschnitten.
Mögliche Strategien:
Opt-Out für das gesamte Portfolio an europäischen Patenten.
Kein Opt-Out bei stärkeren Patenten, also Patenten die leichter zu verteidigen sind, wenn ihre Gültigkeit angefochten wird (das Risiko des Fehlens der Rechtsprechung und praktischen Erfahrung mit dem Europäischen Patentgericht sind gegebenenfalls weniger relevant).
Opt-Out bei schwachen Patenten, die potentiell anfällig für Nichtigkeitsklagen sind (um das Risko eines zentralen Nichtigkeitsverfahrens vor dem Europäischen Patentgericht zu vermeiden).
Ein Opt-Out für ein europäisches Bündelpatent kann während des Übergangszeitraums nachträglich vom Patentinhaber auch zurückgenommen werden, jedoch nur solange als nicht schon bereits eine Klage vor einem nationalen Gericht erhoben wurde.
Die Einreichung von Opt-Out Anträgen erfordern aktive, relativ komplexe Schritte in der dafür vorgesehenen Software und sollten daher in der Regel über einen europäischen Patentanwalt gestellt werden.